Die Reichenau (alemannisch: Riichenau) ist eine bewohnte Insel im Landkreis Konstanz in Baden-Württemberg und die größte Insel im Bodensee. Seit 2000 ist sie mit dem Kloster Reichenau auf der UNESCO-Liste des Welterbes verzeichnet. Die Insel sei, so die UNESCO in ihrer Begründung, ein herausragendes Zeugnis der religiösen und kulturellen Rolle eines großen Benediktinerklosters im Mittelalter.
Reichenau | ||
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Gewässer | Untersee, Bodensee | |
Geographische Lage | 47° 41′ 35″ N, 9° 3′ 47″ O47.6930555555569.0630555555556438.7 | |
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Länge | 4,5 km | |
Breite | 1,6 km | |
Fläche | 4,3 km² | |
Höchste Erhebung | Die Hochwart 438,7 m ü. NN | |
Einwohner | 3203 (2008) 745 Einw./km² | |
Hauptort | Mittelzell |
Klosterinsel Reichenau | |
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UNESCO-Welterbe ![]() | |
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Vertragsstaat(en): | Deutschland![]() |
Typ: | Kultur |
Kriterien: | (iii)(iv)(vi) |
Referenz-Nr.: | 974 |
UNESCO-Region: | Europa und Nordamerika |
Geschichte der Einschreibung | |
Einschreibung: | 2000 (Sitzung 24) |
Die Insel Reichenau war bereits von den Römern bebaut und besiedelt. So beschreibt der Benediktinermönch Walahfrid Strabo, der auf Reichenau um 841 seinen Hortulus dichtete,[1] in seinem Buch 7: „In diesem See (Bodensee) gibt es eine Insel, derer sich Tiberius gleichsam als einer Burg anlässlich des Zuges gegen die Vindelicier bequem bei den Kämpfen zu Schiff bedienen konnte.“[2]
Die Grundstücke gehörten bis in die 1830er Jahre Stiftungen oder dem Fürstbischof. Sie wurden als Lehen an Rebleute oder Bauern vergeben. Das Lehnswesen wurde in den 1830er Jahren aufgelöst. Die Grundstücke konnten von den ehemaligen Lehensnehmern gekauft werden.[3]
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden im Sommer 1945 etwa zwei Drittel der Bewohner der Insel für zweieinhalb Monate evakuiert. Rund 3000 französische KZ-Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau verbrachten dort ihre Quarantäne vor ihrer Rückkehr in die Heimat.[4]
Im Juni/Juli 1999 war die Zufahrt über den Damm zur Insel durch das „Pfingsthochwasser“ des Bodensees mehrere Wochen lang gesperrt, so dass die Insel durch Lastwagen der Bundeswehr versorgt werden musste.
Die Insel ist Teil der Gemeinde Reichenau sowie kulturelles und Verwaltungszentrum der Gemeinde. Verwaltungssitz und seit der Gründungszeit größtes Dorf ist Mittelzell. Die Gemeinde Reichenau umfasst neben der Insel auch Festlandgebiete.
Sie liegt im westlichen Teil des Bodensees, dem Untersee, zwischen Konstanz und Radolfzell. Über den 1838 aufgeschütteten Reichenauer Damm ist sie mit dem Festland verbunden. Der höchste Punkt der Insel (Hochwart, früher Friedrichshöhe)[5] liegt auf 438,7 Meter und erhebt sich circa 43 Meter über den Seespiegel.
Die Insel ist 4,5 Kilometer lang und 1,5 Kilometer breit und besitzt eine Gesamtfläche von 4,3 Quadratkilometern. Der Umfang beträgt 11,0 Kilometer.[6] Diese Angaben beziehen sich auf das Inselgebiet, das westlich vom Bruckgraben liegt. Flächenmäßig ist die Insel bei weitem die größte im gesamten Bodensee und ist mehr als sechsmal so groß wie die an zweiter Stelle stehende Insel Lindau. In den späten 1980er-Jahren hat die Reichenau Lindau auch als bevölkerungsmäßig größte Insel überholt.
Die aktuelle Einwohnerzahl der Insel Reichenau wird auf 3200 bis 3300 geschätzt. Die letzte genaue Einwohnerzahl aus der amtlichen Statistik stammt aus der Volkszählung 1961.[7] Die Ortsteile von Südost nach Nordwest:
Nr. | Dorf | Bevölkerung Schätzung 2008 | Bevölkerung VZ 1961 | Bevölkerung VZ 1885 |
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1 | Oberzell | 511 | 418 | 292 |
2 | Mittelzell | 2454 | 1737 | 1082 |
3 | Niederzell | 238 | 198 | 149 |
Insel Reichenau | 3203 | 2353 | 1523 |
Bei den drei Dörfern handelt es sich um Streusiedlungen ohne stark ausgeprägten Ortskern. Eine Aufstellung aus der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 listet neben den eigentlichen Dörfern noch 18 Weiler, Häuser und Häusergruppen auf, die gleichwohl den einzelnen Dörfern zugeordnet wurden:[8]
Ehemalige Ortsteile der Insel Reichenau![]() | ||||||||
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Oberzell | Mittelzell | Niederzell | ||||||
Ortsteil | Bev. | Ortsteil | Bev. | Ortsteil | Bev. | |||
Oberzell (Dorf) | 159 | Mittelzell (Dorf) 1 | 633 | Unter- od. Niederzell (Dorf) | 105 | |||
Rheinstraße (Häuser) | 123 | Auenstade (Stadigasse) (Weiler) | 67 | Bürgle (Haus) | 5 | |||
Schopflen (Haus) 2 | 4 | Bradlen (Weiler) | 43 | Genslehorn (Weiler) | 28 | |||
Fährhaus (Haus) | 6 | Buchhorn (Weiler) | 104 | Steinerner Weg (Häuser) | 11 | |||
Klempern (Häuser) | 8 | |||||||
Rheinstraße (Häuser) | 199 | |||||||
Sigelinshof oder Rohrschachen (Weiler) | 28 | |||||||
Oberzell gesamt | 292 | Mittelzell gesamt | 1082 | Unterzell gesamt | 149 | |||
1 mit den Ortsteilen Allenwinden, Häflinshof, Kellerwies, Münster, Rasthof und Rauhof |
Bereits im nachfolgenden Ortsverzeichnis der Volkszählung von 1905 tauchen diese Ortsnamen nicht mehr auf, sondern nur noch die Namen der drei Dörfer Oberzell, Mittelzell und Unterzell.[10] Neun der 18 ehemals angeführten Ortsteile leben zumeist leicht verändert weiter als Straßennamen: Untere Rheinstraße, Fährenhorn, Häfelishofstraße, Im Rasthof, Rauhofweg, Stedigasse, Bradlengasse, Obere Rheinstraße, und Im Genslehorn.
Durch die temperaturausgleichende Wirkung des Bodensees, die positiven Auswirkungen des Alpenföhns und die daraus resultierende hohe Zahl an Sonnentagen ist das Klima auf der Reichenau besonders mild. Hiervon profitiert zuvörderst der Gemüseanbau mit bis zu drei Freilandernten pro Jahr. Etwa 160 Hektar der Insel werden landwirtschaftlich genutzt, mehr als 25 % der Anbaufläche befindet sich in Gewächshäusern. Tomaten von der Insel Reichenau, Salate von der Insel Reichenau, Feldsalate von der Insel Reichenau und Gurken von der Insel Reichenau sind durch die EU geschützte geografische Angaben.[11][12][13][14] Auf der Insel betreibt der Winzerverein Reichenau die südlichste Weinanbau-Fläche Deutschlands.
Zudem ist der Tourismus mit über 200.000 Übernachtungen und vielen Tagestouristen neben dem Gemüseanbau Haupteinnahmequelle der Insel.
Die EnBW betreibt im und um das Schloss Windegg (örtlich Bürgle genannt), das sich in deren Privatbesitz befindet, eine Urlaubsanlage für Mitarbeiter.
Die Insel ist aus Moränenschutt und verschwemmten Schottern aufgebaut, die am Ende der letzten Eiszeit (Würm) abgelagert worden sind. Sie ist Teil einer Moräne, die sich vom aufgeschütteten Damm im Osten bis zur Halbinsel Mettnau bei Radolfzell im Westen erstreckt.
Der Reichenauer Damm, auf dem eine 1300 Meter lange Pappelallee verläuft, wurde 1838[15] gebaut und ist mit Kraftfahrzeugen befahrbar. Der Damm ist unterbrochen von dem sieben Meter breiten und 95 Meter langen Bruckgraben, der von der niedrigen Reichenauer Brücke der Landesstraße L 221 Konstanz-Reichenau (Pirminstraße) überquert wird und durch den Boote fahren können. Für Segelboote ist die Brücke jedoch zu niedrig. Die Allee ist ein Startpunkt der rund 2900 Kilometer langen Deutschen Alleenstraße. Bei Hochwasser mit einem Pegelstand ab 5,30 Meter (Pegel Konstanz) wird der Damm überschwemmt.[16]
Mit dem öffentlichen Verkehr ist die Insel per Bus erreichbar, im Sommerhalbjahr auch mit Ausflugsschiffen der Weißen Flotte sowie der Personenfähre ab Allensbach. Schiffe der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein und der BSB Bodensee-Schiffsbetriebe GmbH verkehren fahrplanmäßig mehrmals täglich zur Insel.
Die Reichenau wird als Zwischenziel von der Via Beuronensis erreicht, einem Jakobs– und Fernwanderweg nach Spanien.
Das Reichenauer Museum ist ein Heimatmuseum zur bürgerlichen Geschichte und zum Lebensraum der Reichenauer. Themen sind Gemüseanbau, Fischerei, Brauchtum und Reichenauer Künstler. In Mittelzell befindet sich das Museum zur Klostergeschichte. Ferner gibt es die Schatzkammer zu den drei Kirchen.[17]
Das Gemeindearchiv ist im Keller der Tourist-Information untergebracht.[18] Die Handschriften und Bücher aus der Klosterzeit befinden sich heute im Generallandesarchiv Karlsruhe und in der Badischen Landesbibliothek.[19]
Siehe Hauptartikel: Gemeinde Reichenau (Landkreis Konstanz)
Auf der Insel Reichenau werden jährlich drei Inselfeiertage zu hohen kirchlichen Feiertagen gefeiert, bei denen das Geschäftsleben auf der Reichenau ruht und Kinder schulfrei haben. Die Inselfeiertage werden mit einem Festgottesdienst im Münster und einer Prozession über die Insel, jeweils begleitet von der historischen Bürgerwehr, gefeiert.
Bewohnte: Reichenau | Lindau | Mainau | Dominikanerinsel | Werd
Unbewohnte: Hoy | Triboldingerbohl | Mittler oder Langbohl | Liebesinsel | Mittleres Werdli | Unteres Werdli | Vogelinsel | Vogelinseln | Wulesaueninsle
Ehemalige: Entlibühl | Galgeninsel | Tegerstein | Wasserburg
Kulturerbe:
Aachener Dom (1978) |
Speyerer Dom (1981) |
Würzburger Residenz mit Hofgarten und Residenzplatz (1981) |
Wallfahrtskirche auf der Wies (1983) |
Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl (1984) |
Dom und Michaeliskirche in Hildesheim (1985) |
Römische Baudenkmäler, Dom und Liebfrauenkirche in Trier (1986) |
Hansestadt Lübeck (1987) |
Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin (1990) |
Kloster Lorsch (1991) |
Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft (1992) |
Klosteranlage Maulbronn (1993) |
Altstadt von Bamberg (1993) |
Stiftskirche, Schloss und Altstadt von Quedlinburg (1994) |
Völklinger Hütte (1994) |
Kölner Dom (1996) |
Das Bauhaus und seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau (1996, 2017) |
Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg (1996) |
Klassisches Weimar (1998) |
Museumsinsel Berlin (1999) |
Wartburg (1999) |
Dessau-Wörlitzer Gartenreich (2000) |
Klosterinsel Reichenau (2000) |
Zeche Zollverein und Kokerei Zollverein (2001) |
Oberes Mittelrheintal (2002) |
Altstädte von Stralsund und Wismar (2002) |
Bremer Rathaus und Bremer Roland (2004) |
Fürst-Pückler-Park Bad Muskau (2004) |
Grenzen des Römischen Reiches: Obergermanisch-Raetischer Limes (2005) |
Altstadt von Regensburg mit Stadtamhof (2006) |
Siedlungen der Berliner Moderne (2008) |
Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen (2011) |
Fagus-Werk in Alfeld (2011) |
Markgräfliches Opernhaus Bayreuth (2012) |
Bergpark Wilhelmshöhe (2013) |
Karolingisches Westwerk und Civitas Corvey (2014) |
Hamburger Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus (2015) |
Das architektonische Werk von Le Corbusier: zwei Häuser der Weißenhofsiedlung (2016) |
Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb (2017) |
Archäologischer Grenzkomplex Haithabu und Danewerk (2018) |
Naumburger Dom (2018) |
Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří (2019) |
Augsburger Wassermanagement-System (2019) |
Donaulimes (2021) |
Bedeutende Kurstädte Europas: Baden-Baden, Bad Ems, Bad Kissingen (2021) |
Mathildenhöhe Darmstadt (2021) |
Niedergermanischer Limes (2021) |
SchUM-Stätten von Speyer, Worms und Mainz (2021)
Naturerbe:
Grube Messel (1995) |
Wattenmeer der Nordsee (2009) |
Alte Buchenwälder (2011)
Ehemaliges Welterbe:
Kulturlandschaft Dresdner Elbtal (2004–2009)