Das Fluchthorn (rätoromanisch Piz Fenga?/i) ist ein Bergmassiv in der östlichen Silvretta an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz. Mit 3398 m ü. M. (Schweizer Messung) bzw. 3399 m ü. A. (österreichische Messung) ist das Fluchthorn der zweithöchste Berg der Silvretta.
Fluchthorn, Piz Fenga | ||
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![]() Die drei Gipfel des Fluchthorns von Westen. Etwa in der Bildmitte ist das Zahnjoch, rechts die Krone (3187 m), von Weilenmann als "Pseudo-Fluchthorn" bezeichnet. | ||
Höhe | 3399 m ü. A. | |
Lage | Tirol, Österreich und Graubünden, Schweiz | |
Gebirge | Silvretta | |
Dominanz | 15,5 km → Piz Linard | |
Schartenhöhe | 647 m ↓ Fuorcla Zadrell | |
Koordinaten, (CH) | 46° 53′ 26″ N, 10° 13′ 38″ O (812478 / 197047)46.89055555555610.2272222222223399 | |
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Gestein | Amphibolit, Hornblende-Gneis | |
Erstbesteigung | 12. Juli 1861 durch Johann Jakob Weilenmann und Franz Pöll | |
Normalweg | Weilenmannrinne (II) | |
Besonderheiten | historisch auch: Grenzspitze, Wälsche Berg |
Politisch liegt das Fluchthorn auf der Grenze zwischen der österreichischen Gemeinde Galtür und einer Exklave der Schweizer Gemeinde Valsot.
Orografisch gehört das Fluchthorn vollständig zum Paznaun, ist also nicht Grenzberg des Engadins. Dennoch entwässern die Flanken des Berges über das westlich gelegene Jamtal und das östlich gelegene Fimbatal via Paznaun ebenfalls ins Flusssystem von Inn und Donau.
Sprachlich liegt das Fluchthorn auf der Sprachgrenze zwischen dem Deutschen und dem Rätoromanischen.
Das Fluchthorn stellt ein dreigipfliges Bergmassiv dar.
Das österreichische Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen bezeichnet die drei Gipfel als Nördliches Fluchthorn, Mittleres Fluchthorn und Südliches Fluchthorn, mit den Höhenangaben 3309 m, 3397 m und 3399 m.
Die Landeskarte der Schweiz bezeichnet einzig den südlichsten Gipfel, und zwar mit dem einfachen Namen Fluchthorn und der Höhenangabe 3398,0 m. Der Gipfel wird als Triangulationspunkt genutzt.
Die Gipfelmessung variiert nicht nur nach den beiden beteiligten Ländern, sondern auch über die Zeit:
Das Fluchthorn ist die höchste Erhebung der österreichischen Silvretta und nach dem Piz Linard mit 3411 m ü. M. der zweithöchste Gipfel der Silvretta überhaupt. Die Dominanz des Berges verschafft Besteigern ein weites Gipfelpanorama.[5]
Die Sektion Heidelberg stiftete das Gipfelkreuz im Jahr 1989 anlässlich des 100-jährigen Bestehens ihres Alpenvereinshauses am Fuße des Berges.[6]
Den deutschen Namen Fluchthorn teilt der Berg mit dem 3795 m hohen Fluchthorn im Schweizer Kanton Wallis. Der Name stammt aus der lokalen Jägersprache und bezieht sich auf die Rückzugsmöglichkeiten der gejagten Gämsen.[7]
Das Mittlere Fluchthorn trug im 19. Jahrhundert, als dieser Gipfel als der höchste der Dreiergruppe galt, auch den Namen Rennerspitze, nach dem Stuttgarter Alpenpionier E. Renner.[8] Bisweilen wurde früher auch der Name Grenzspitze verwendet.[7]
1774 wurde das Fluchthorn mitsamt der ganzen Kette bis zur Gemspleisspitze auf den Karten des Atlas Tyrolensis als Wälsch Berg sowie die heutige Fimberalpe als Wälsch Alpe bezeichnet.
Der rätoromanische Name Piz Fenga bezieht sich auf die östlich unter dem Gipfel liegende Val Fenga (deutsch Fimbertal). Auf der anderen Talseite befindet sich der 2725 m hohe Piz Fenga Pitschna (wörtlich Kleinfimberspitze), der keine alpinistische Herausforderung darstellt.[9]
Im 19. Jahrhundert waren die Gletscher um das Fluchthorn herum miteinander zu einem einzigen Gletschergebiet verbunden: Larainferner, Fluchthornferner, Kronenferner und Vadret da Fenga. Auch die Krone war von Gletschern umgeben. Heute sind, abgesehen vom Larainferner, alle Gletscher zu Relikten geschrumpft, und die Eisfelder sind nicht mehr miteinander verbunden. Im Gletschervorfeld des Fluchthornferners ist eine Seenplatte mit sechs Bergseen entstanden.[10]
Johann Jakob Weilenmann war ein Kaufmann aus dem Schweizer St. Gallen. Ihm fiel das Fluchthorn schon lange durch seine alles Andere in der Umgebung überragende Gestalt auf. Von den Bergen um St. Gallen herum beobachtete er oft, dass es abends als letzter Berg in der Sonne leuchtete, woraus er auf eine enorme Höhe des Massivs schloss. Auch beobachtete er es oft vom Säntis sowie von anderen Gipfeln in Graubünden. So wuchs in ihm der Wunsch, diesen Berg zu erkunden und zu ersteigen. Zuerst wollte er dies mit einem Hirten und Viehhändler, der auf der Vermuntalpe tätig war, tun. Weilenmann reiste durchs Montafon zur Erstbesteigung an. Einheimische, die er nach dem Fluchthorn fragte, wiesen ihm stets den Weg zum Piz Buin, den ihnen bekannten höchsten Berg der Gegend, da das Fluchthorn aus dem Talgrund des Montafons nicht sichtbar ist. Der Hirte bekam jedoch überraschend Besuch von Schweizer Viehhändlern, so dass er Weilenmann absagte. Dieser reiste übers Zeinisjoch nach Galtür weiter und bestieg dort die Gorfenspitze zur Erkundung. Eher als zweite Wahl engagierte er dann Franz Anton Pöll alias «Pöllele», einen Bauern, Hirten und Gämsjäger aus dem Paznauner Weiler Valzur. Er war auf der Larainalpe nördlich des Fluchthorns tätig. Da es weder Telefon noch Ähnliches zur Terminvereinbarung gab, musste Weilenmann Pöll im Laraintal suchen. Dabei bestieg er die Larainfernerspitze (3009 m).
Zum Tag der Erstbesteigung existieren widersprüchliche Quellen.[11][12] Vor Sonnenaufgang des 12. Juli 1861[12][13] zogen sie, den Kamm zwischen Fluchthorn und Gemsbleisspitze überschreitend, los. Weilenmann, der das Fluchthorn oft von Westen und Süden sah, erkannte es von Norden nicht wieder. Deshalb meinte er, die Krone (3187 m) südlich des Zahnjochs sei das Fluchthorn. Dieser Irrtum ist, auch aufgrund der ausreichend genauen Dufourkarte, welche Weilenmann nutzte, aus heutiger Sicht nicht ganz nachvollziehbar. Allerdings ist die Krone wie auch das Fluchthorn eine Ansammlung von in Nord-Süd-Richtung aneinandergereihter, schroffer Zacken. Nicht ahnend, dass er seinem Ziel schon sehr nahe war, gingen sie am Ostfuß des Fluchthorns entlang zum Zahnjoch (2947 m), um die Krone zu erreichen. Erst auf dem Joch bemerkte er seinen Irrtum. Weilenmann bezeichnete die Krone fortan als «Pseudo-Fluchthorn». Diese Irrung führte die beiden – allerdings eher zufällig – zum geeignetsten Aufstieg, der durch das später Weilenmannrinne genannte Couloir in der Südflanke des Südlichen Fluchthorns führte. Die mit Schnee gefüllte Rinne war lawinengefährlich. Weilenmann war an jenem Tag in ausgesprochen schlechter Verfassung. Es war eher Pöll, der voranging. Dennoch erreichten die beiden gegen 10 Uhr den Gipfel.
Ausgangspunkte für eine Besteigung von der Tiroler Seite sind die Jamtalhütte im Jamtal und die Heidelberger Hütte im Fimbertal.
Der Weg von der Jamtalhütte her führt auf 2480 m am Finanzerstein, einem Findling, in dessen Schutz eine Unterstandshütte eingerichtet ist, vorbei, in Richtung Zahnjoch. Der Stützpunkt stand im Zusammenhang mit dem Schmuggel (unter anderem Tabak, Kaffee und Saccharin) über den nahen Futschölpass.[14][15][16] Kurz vor dem Zahnjoch erreicht man dann die Weilenmanrinne. Der Weg von der Heidelberger Hütte zum Zahnjoch wurde vor einigen Jahren aufgelassen, und die Beschilderungen entfernt. Grund ist der Rückgang des Vadret da Fenga. Der offizielle Weg aus dem Fimbertal zum Südfuß des Fluchthorns führt nun über das südlich der Krone gelegene Kronenjoch.[13]
Man kann auch von der Schweiz her über den Futschölpaß oder die Tasnafurka an den Südfuß des Fluchthorns gelangen.
Der Schlussanstieg beginnt auf etwa 2900 m Höhe westlich des Zahnjochs und führt gewöhnlich durch die steile und oft schneegefüllte Weilenmannrinne. Die Kletterpartien im Gipfelbereich liegen in den Schwierigkeitsgraden II und III.[17][18]
Die beste Jahreszeit für eine Besteigung ist der Frühsommer. Die beste Tageszeit ist wegen der Steinschlaggefahr der frühe Morgen.[19]
Diese reicht im Osten über die Ötztaler Alpen bis zu den Stubaier Alpen, im Süden zu Care Alto, Ortler, Monte Disgrazia, Piz Bernina, und im Westen bis zum Monte Rosa, zu Matterhorn (222 km), Dom, Bietschhorn, Aletschhorn, Mönch und weiteren bekannten Gipfeln der Berner Alpen.[20]