Der Thwaites-Gletscher (inoffiziell auch englischDoomsday Glacier‚Gletscher des Jüngsten Gerichts, Weltuntergangsgletscher‘)[1][2][3] ist ein großer Gletscher im westantarktischen Marie-Byrd-Land. 2010 wies er eine Ausdehnung von rund 192.000km² auf – eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Österreich bzw. in etwa so groß wie Florida.[4][5]
Der Thwaites fließt rund 50km östlich des Mount Murphy zur Amundsen-See, in die er etwa 30km nordöstlich der Bear-Halbinsel an der Walgreen-Küste in Form einer über 160km langen und 30km breiten Gletscherzunge mündet. 60km der Zunge sind aufschwimmend und behindern die Schifffahrt in Ost-West-Richtung. Der Gletscher liegt in einer Gegend mit erhöhter vulkanischer Aktivität.[6]
Geschichte
Der United States Geological Survey kartierte den gesamten Gletscher anhand eigener Vermessungen und Luftaufnahmen der United States Navy aus den Jahren von 1959 bis 1966. Das Advisory Committee on Antarctic Names benannte ihn 1967 nach dem Glaziologen Fredrik T. Thwaites (1883–1961) von der University of Wisconsin. Aufgrund seiner Eigenschaften wird dieser massive Gletscher für wissenschaftlichen Szenarien des menschengemachten Klimawandels bis heute durch die NASA und Wissenschaftler genau beobachtet und analysiert.[7]
Bedeutung als Klimaindikator
Thwaites-Gletscher am 2.Dezember 2001 vor Abbruch des Eisbergs B-22 im Jahr 2002
Thwaites-Gletscher am 28.Dezember 2019
Der Gletscher hat eine wichtige Funktion. Zusammen mit dem Pine-Island-Gletscher wirkt er als „Bremsklotz“ für den viel größeren westantarktischen Eisschild. Sollte dieser eines Tages schmelzen, könnten zahlreiche Küstenstädte wegen eines Meeresspiegelanstiegs von mehr als einem Meter überflutet werden.[4] Die British Broadcasting Corporation (BBC) bezeichnete den Thwaites aufgrund dieser globalen Bedeutung als Doomsday Glacier.[8]
In der Region dieses Gletschers verändern sich die atmosphärischen und ozeanischen Bedingungen besonders deutlich: Rasche Eisverluste sind die Folge (siehe Folgen der globalen Erwärmung in der Antarktis). Die Aufsetzlinie des Gletschers, d.h. die Linie, an der Gletschereis letztmals den Boden berührt und ab der es zu schwimmen beginnt, liegt auf einem untermeerischen Rücken. Das Eis dort wird dünner, die Aufsetzlinie geht in Richtung eines tiefen Meeresbeckens zurück. Wenn der Gletscher auf der gesamten Fläche des Rückens den Bodenkontakt verliert und aufschwimmt, beschleunigt dies in den nächsten Jahrzehnten seine Fließgeschwindigkeit und damit sein Schmelzen stark.
Anfang 2020 nahmen Forscher der International Thwaites Glacier Collaboration (ITGC) Messungen vor, um Szenarien für die Zukunft des Gletschers zu entwickeln und den Zeitraum für einen möglichen Zusammenbruch zu prognostizieren:[9][3] Die Erosion des Gletschers durch erwärmtes Ozeanwasser scheint stärker als erwartet. Die Forscher stellten besorgt fest, dass die Wassertemperatur an der Grundlinie des Gletschers bereits mehr als zwei Grad über dem Gefrierpunkt liege.[4][5][8] Ein Auslöser der Expedition waren u.a. Geo-Erkundungen der NASA.[7]
Eine Studie aus dem Jahr 2021 kam zu der Erkenntnis, dass große Teile des aufschwimmenden Teils des Gletschers innerhalb weniger Jahre abbrechen könnten. Hierauf deuteten Anzeichen in Form von Rissen und Eisbewegungen hin.[10] Das Tauen des Thwaites-Gletschers ist bereits für etwa vier Prozent des globalen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich.[11] Der Zusammenbruch dieses Gletschers würde den Pegel der Meere um etwa 65 Zentimeter anheben[4], was einige Forscher innerhalb weniger Jahrhunderte erwarten.[12] Ein vollständiges Abschmelzen des Gletschers könnte auch angrenzende Eismassen in den Prozess miteinbeziehen und den Meeresspiegel global um bis zu drei Meter ansteigen lassen.[13][14]
Shola Lawal:Temperatures at a Florida-Size Glacier in Antarctica Alarm Scientists. In: The New York Times. 29.Januar 2020, ISSN0362-4331 (nytimes.com[abgerufen am 30.Januar 2020]).
Robin McKie:Scientists discover 91 volcanoes below Antarctic ice sheet. In: The Observer. 12.August 2017, ISSN0029-7712 (theguardian.com[abgerufen am 10.Februar 2020]).
WELT:Antarktis: Forscher wegen Höhle im Thwaites-Gletscher in Sorge. In: DIE WELT. 31.Januar 2019 (welt.de[abgerufen am 30.Januar 2020]).
Justin Rowlatt:Journey to the 'doomsday glacier'. In: BBC News. 28.Januar 2020 (bbc.com[abgerufen am 30.Januar 2020]).
Antarktis: Eisschild am Thwaites-Gletscher könnte innerhalb der nächsten Jahre zerbrechen. In: Der Spiegel. 14.Dezember 2021, ISSN2195-1349 (spiegel.de[abgerufen am 15.Dezember 2021]).
Paul Voosen:Ice shelf holding back keystone Antarctic glacier within years of failure. In: Science. 13.Dezember 2021, doi:10.1126/science.acz9821.
Ian Joughin, Benjamin E. Smith und Brooke Medley:Marine Ice Sheet Collapse Potentially Under Way for the Thwaites Glacier Basin, West Antarctica. In: Science. März 2014, doi:10.1126/science.1249055.
T. A. Scambos u.a.:How much, how fast?: A science review and outlook for research on the instability of Antarctica's Thwaites Glacier in the 21st century. In: Global and Planetary Change. Juni 2017, doi:10.1016/j.gloplacha.2017.04.008.
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