Die Liancourt-Felsen (koreanisch 獨島 Dokdo, japanisch 竹島 Takeshima) sind eine Inselgruppe im Japanischen Meer (Ostmeer)[1], auf die sowohl Japan als auch Südkorea und Nordkorea Territorialansprüche erheben. Bis 1945 wurden die Inseln von Japan verwaltet, dessen Kolonie Korea zwischen 1910 und 1945 war. Seit 1953 werden die Inseln de facto von Südkorea verwaltet.[2] Um in dem Konflikt keine Position zu beziehen, wird von Drittstaaten teilweise die englische Bezeichnung Liancourt Rocks verwendet, die ihnen 1849 durch ein gleichnamiges französisches Walfangschiff gegeben wurde. Ein weiterer internationaler, aber heutzutage kaum noch verwendeter Name ist die Bezeichnung Hornet Islands,[3] welche den Felsen vom gleichnamigen englischen Kriegsschiff 1855 gegeben wurde.[4]
Liancourt-Felsen | |
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Die Liancourt-Felsen | |
Gewässer | Japanisches Meer |
Geographische Lage | 37° 14′ N, 131° 52′ O37.239722222222131.87055555556 |
Anzahl der Inseln | 2 Felseneilande und 33 kleinere Felsen |
Hauptinsel | jap. Ojima kor. Seodo |
Gesamte Landfläche | 0,21 km² |
Einwohner | 50 |
Umrisse und Lage der Felsen zueinander. Innerhalb der beiden Hauptfelsen finden sich die landesüblichen Namen dieser auf Japanisch (jap.) und Koreanisch (kor.). |
Liancourt-Felsen | |
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Japanischer Name | |
Kanji | 竹島 |
Rōmaji nach Hepburn | Takeshima |
Koreanischer Name | |
Hangeul | 독도 |
Hanja | 獨島 |
Revidierte Romanisierung | Dokdo |
McCune-Reischauer | Tokto |
Die Liancourt-Felsen sind ein Archipel aus zwei kleineren, gebirgigen Felseneilanden, die von 33 noch kleineren Felsen umgeben sind. Die Landfläche beträgt insgesamt etwa 0,21 km²[5] (zum Vergleich: Die Hauptinsel Helgolands ist ungefähr 1 km² groß).
Die Liancourt-Felsen sind vulkanischen Ursprungs und liegen 183 Meter voneinander entfernt.
Das westliche Eiland (37° 14′ 29″ N, 131° 51′ 58″ O37.241388888889131.86611111111) ragt 157 Meter aus dem Meer.[6] Auf Japanisch heißt es 西島 Nishijima, auf Koreanisch 서도 Seodo (Hanja 西島), beides bedeutet wörtlich „Westinsel“. Im Japanischen gibt es außerdem die alternative Bezeichnung 男島,[5][7] die entweder Otokojima oder Ojima ausgesprochen wird und „Männerinsel“ oder „männliche Insel“ bedeutet.
Das östliche Eiland (37° 14′ 23″ N, 131° 52′ 14″ O37.239722222222131.87055555556) ist niedriger und flacher als die westliche Insel.[6] Auf Japanisch heißt es 東島 Higashijima, auf Koreanisch 동도 Dongdo (Hanja 東島), beides bedeutet wörtlich „Ostinsel“. Im Japanischen gibt es außerdem die alternative Bezeichnung 女島,[5][7] die entweder Onnajima oder Mejima ausgesprochen wird und „Fraueninsel“ oder „weibliche Insel“ bedeutet.
Lage
Die Felsen liegen fast genau auf einer gedachten mittigen Grenzlinie zwischen der japanischen Hauptinsel Honshū und der Koreanischen Halbinsel. So liegen die Felsen etwa 211 km nördlich von Honshū, etwa 217 km östlich der südkoreanischen Küste und etwa 328 km südöstlich des nordkoreanischen Festlands.
Allerdings verwalten Japan und Südkorea Inseln im Japanischen Meer, die sich näher an den Liancourt-Felsen befinden als die Küsten selbst. Die von den Felsen aus gesehen nächsten großen und bevölkerten Inseln Japans sind die Oki-Inseln. Diese liegen etwa 157 km südöstlich der Felsen. Die Oki-Inseln wiederum liegen 67 km nördlich der japanischen Hauptinsel Honshū. Die nächste große und bevölkerte Insel unter südkoreanischer Verwaltung ist Ulleungdo. Sie liegt etwa 88 km westlich der Liancourt-Felsen. Von Ulleungdo aus sind es etwa 120 km zur südkoreanischen Küste.
Das ozeanische Klima der Felsengruppe ähnelt dem der näher an der koreanischen Küste gelegenen Insel Ulleung-do.
Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt bei 12 °C, mit einer durchschnittlich tiefsten Temperatur von 1 °C im Januar und durchschnittlich höchsten Temperatur von 23 °C im August.
Die warmen Wasserströmungen begünstigen regelmäßige Nebel- und Wolkenbildung, weshalb es an mehr als 160 Tagen im Jahr wolkig ist und es an bis zu 150 Tagen im Jahr regnet. Der durchschnittliche Jahresniederschlag beträgt 1240 mm und setzt sich größtenteils aus den Schneefällen im Winter zusammen.[8]
Auf den Liancourt-Felsen leben etwa vierzig Bewohner. Der erste Bewohner der Insel war der Koreaner Choi Jong-duck, welcher sich im März 1965 auf der Insel niederließ. Heute wohnen auf der Insel eine Familie und 33 Angestellte der Küstenwache sowie drei Manager des Leuchtturms der Insel und zwei Mitarbeiter des Dok-do-Management-Büros des Bezirks Ulleung.[8]
Die Zugehörigkeit der Felsen ist zurzeit ungeklärt. Beide Staaten haben sie in ihre Verwaltungsgliederung aufgenommen:
In Japan wurden die Felsen unter die Verwaltungshoheit der Gemeinde Okinoshima und damit der Präfektur Shimane unterstellt. In Südkorea wurden sie der Insel Ulleungdo und damit der Region Gyeongsangbuk-do unterstellt, verwaltet werden sie aber vom Ministerium für Ozeane und Fischerei. Auf der Insel leben 50 Menschen.[9]
Seit 2005 hat die Anzahl der Besucher der Ostinsel Dong-do mit täglich etwa 500 Besuchern insgesamt zwei Millionen erreicht. Um die Insel Seo-do besuchen zu können, ist zuvor eine Genehmigung des Bezirks Ulleung notwendig.[8]
In der koreanischen Geschichtsaufzeichnung Samguk Sagi, welche auf das Jahr 1145 datiert wurde, wird eine Insel namens Usan-do (우산도, Hanja: 于山島) erwähnt. Dort sind die Inseln als Teil des koreanischen Inselstaates Usan-guk (Hangeul 우산국, Hanja: 于山國) auf Ulleungdo aufgeführt. Nach südkoreanischer Interpretation handelt es sich hierbei um die erste bekannte Erwähnung der Liancourt-Inseln. Südkoreas Anspruch gründet sich darauf, dass nach Sillas Fall im Jahre 930 Usan-guk ein Protektorat Goryeos wurde und dass nach dessen Untergang die Verwaltung der Inseln direkt auf die Regierung des koreanischen Festlandes überging. Allerdings wird von japanischer Seite eine andere Interpretation vorgenommen. Danach ist Usan-do ein anderer Name für Jukdo, einer vorgelagerten Insel von Ulleungdo.
Laut japanischen Quellen erhielten 1618 die Händler Ōya Jinkichi (大谷 甚吉) und Murakawa Ichibē (村川 市兵衛) aus Yonago vom Tokugawa-Shogunat die Erlaubnis, Ulleungdo anzufahren, wobei sie die Inselgruppe als Zwischenstopp benutzten. 1661 erhielten beide Familien die offizielle Genehmigung, die Inselgruppe selbst zu bereisen. Als 1696 das Shogunat wegen Streitigkeiten um die Fischereirechte von Ulleungdo jegliche Reisen nach Korea untersagte, blieben die Liancourt-Felsen davon ausgenommen.[10][11] Die Inselgruppe hieß im Japanischen damals noch Matsushima (japanisch 松島, wörtlich: „Kieferninsel“).[12]
Anfang der 1900er wurden auf den Inseln – nun Takeshima (竹島, wörtlich: „Bambusinsel“) oder Ryanko-shima (りやんこ島/リャンコ島, mit Ryanko als japanische Aussprache von Liancourt) genannt, da Matsushima jetzt Ulleungdo bezeichnete – extensiv Seelöwen gejagt (die Art Japanischer Seelöwe wurde hier in den 1950er Jahren letztmals gesichtet). Deshalb ersuchte am 29. September 1904 der Fischer Nakai Yoshizaburō (中井 養三郎) das Innenministerium, das Außenministerium und das Ministerium für Landwirtschaft und Handel darum, die Inselgruppe in den Staatsverband einzugliedern und dann die Nutzung auf 10 Jahre zu verleasen. Am 28. Januar 1905 gab das japanische Kabinett aufgrund des terra-nullius-Prinzips diesem Antrag statt und legte den amtlichen Namen auf Takeshima (wörtlich: „Bambusinsel“) fest. Am 22. Februar wurde die Inselgruppe dann der Oki-Inselverwaltung (隠岐島庁) der Präfektur Shimane zugeschlagen.[13][11] Am 24. April 1939 folgte zunächst die Eingliederung in die Gemeinde Goka (heute Okinoshima), am 17. August 1940 jedoch mit der Übergabe an den Marinestützpunkt Maizuru die Erklärung zum militärischen Sperrgebiet.[13]
Nach Japans Niederlage gegen die Alliierten wurden die Inseln durch den SCAP-Befehl Nr. 677 vom 22. Januar 1946 der japanischen Verwaltungsautorität entzogen. Allerdings besagte der Befehl, dass dies keine „endgültige Festlegung“ über das Schicksal der Inselgruppe sei. Alle anderen Inseln, die in diesem Befehl mit erwähnt wurden, wurden später an Korea zurückgegeben. Der Vertrag von San Francisco von 1952, der die Souveränität der meisten anderen umstrittenen Inseln klärt, erwähnt die Liancourt-Felsen nicht.[2] Kimie Hara merkte an, dass das Auslassen der Territorialklärung im Vertrag von San Francisco zu zahlreichen Konflikten im Pazifik führte.[14] Warum die USA so handelten, ist ungeklärt. Lee und Van Dyke nehmen an, dass es aufgrund des Koreakrieges Zeitdruck für die Fertigstellung gab.[2][15] Zudem befürchteten die USA womöglich den Verlust des Gebietes im Falle eines nordkoreanischen Sieges.[2] Hara sieht hinter der Auslassung der Klärung die Erhöhung des Einflusses der USA, der durch Konflikte steigt.[2] Einig sind sich die Forscher, dass die USA nicht auf Grundlage historischer Ansprüche agierten, sondern geopolitische Interessen der USA und der Alliierten berücksichtigten.[2]
1952 erklärte der südkoreanische Präsident Rhee Syng-man unilateral die sogenannte „Friedenslinie“ zur koreanisch-japanischen Grenze, die die Liancourt-Felsen als koreanische Inselgruppe proklamierte.[2] Dadurch verschlechterten sich die Beziehungen der beiden Staaten weiter und Südkorea beschlagnahmte japanische Fischereischiffe, die innerhalb der Linie auf Fischfang gingen.[16]:S. 70 Japan leitete Gegenmaßnahmen ein.[16] Am 27. Juni 1953 landeten zwei japanische Küstenwachschiffe an der östlichen Insel, vertrieben das südkoreanische Wachpersonal und stellten eine territoriale Markierung auf. Südkoreanische Fischer entfernten diese jedoch wieder.[16]:S. 70 Unter den Entwicklungen litten auch die etwa 600.000 Koreaner in Japan, die diskriminiert wurden. Zudem untersagte Japan den Import koreanischer Seeprodukte.[16]:S. 71 Es folgten mehrere bewaffnete Scharmützel, die im April 1954 in der Versenkung eines japanischen Schiffes durch südkoreanisches Mörserfeuer gipfelten.[16]:S. 71 Nach diesem Vorfall baute Südkorea einen Leuchtturm, einen Hubschrauberlandeplatz und eine Polizeiwache auf der östlichen Insel.[2]
Das Thema der Souveränität über die Inseln wurde aus dem Grundsatzvertrag zwischen Südkorea und Japan von 1965 ausgespart und noch immer erheben beide Seiten Territorialansprüche. Südkorea macht dies unter anderem durch die Stationierung einer Einheit der südkoreanischen Polizei deutlich.
Gegenwärtige Situation
Die USA verfolgen eine Politik der Nichtanerkennung der Ansprüche beider Seiten, obwohl einige private Memoranden,[17] die in den Außenbeziehungen der Vereinigten Staaten zwischen 1949 und 1951 zu finden sind, anscheinend die japanische Sichtweise leicht unterstützen und deshalb gelegentlich als „Beweis“ für die amerikanische Unterstützung zitiert werden. 2005 veröffentlichte die US-Botschaft in Südkorea gegenüber der Presse aber: „Die US-Politik im Dokdo/Takeshima-Streit war und wird sein, dass die Vereinigten Staaten weder für die Ansprüche Koreas noch für die Japans Position ergreifen. Unsere Hoffnung ist, dass die zwei Länder den Streit gütlich beilegen.“[18]
Der Streit flammt regelmäßig wieder auf, üblicherweise wenn Japan oder Südkorea den Status quo der Inseln verändern (z. B. 1996 durch den Bau einer Werft oder 2004 die Erklärung zum Nationalpark, was zu einer Verstärkung des Anspruchs durch Japan führte). Nachdem das japanische Bildungsministerium im Juli 2008 in einer nichtbindenden Lehrplanrichtlinie empfohlen hatte, die Inseln im Schulunterricht als japanisches Territorium zu behandeln, kündigte Südkorea an, vorübergehend seinen Botschafter aus Tokio abzuziehen. Der Fraktionsvorsitzende der regierenden Hannara-dang im Parlament, Hong Joon-pyo, bezeichnete das gegenwärtige Vorgehen Japans in einer Parlamentsdebatte als „nicht anders als sein imperialistisches Vorgehen ein Jahrhundert früher, als es die Koreanische Halbinsel ausplünderte“.[19] Mittlerweile wird an japanischen Grund- und weiterführenden Schulen mit Büchern unterrichtet, welche die Liancourt-Felsen als japanisches Territorium darstellen.[20] In südkoreanischen Schulbüchern werden die Felsen jedoch als südkoreanisches Territorium bezeichnet.[21]
Das Parlament der japanischen Präfektur Shimane beschloss am 10. März 2005, den 22. Februar, also den Tag, an dem die Inselgruppe hundert Jahre zuvor administrativ der Präfektur angegliedert worden war, zum jährlich zu feiernden „Takeshima-Tag“ zu erklären.[22] Dieser symbolische Akt schlug in beiden Ländern Wellen und führte unter anderem zur Verschiebung des geplanten Besuches des südkoreanischen Außenministers in Japan. Außerdem führte der Landeschef der südkoreanischen Polizei einen symbolischen Besuch bei der auf der Insel stationierten Einheit (rund 20 Mann) durch.
Am 10. August 2012 besuchte der südkoreanische Präsident Lee Myung-bak als erster Präsident Südkoreas die Inselgruppe, was zu erneuten diplomatischen Spannungen zwischen Japan und Südkorea führte.[23]
Wie Südkorea betrachtet auch die nordkoreanische Führung die Liancourt-Felsen (Tokto) als koreanisches Territorium.[24]:S. 108 Dies hat nicht nur nationalistische Gründe, sondern die Ansprüche werden auch geprägt durch die Beziehungen zu Südkorea und Japan.[24]:S. 106 Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA bedient sich meist südkoreanischer Argumente oder pro-koreanischer wissenschaftlicher Forschung.[24]:S. 110–112 Nach Szalontai (2013) nutzt Nordkorea den Territorialdisput, um die südkoreanisch-japanische Partnerschaft und auch die Beziehung dieser Länder zu den USA zu schwächen und zu behindern.[24]:S. 153 Da Nordkorea in der Thematik nicht nur Japan, sondern auch Südkorea kritisiert, sei nach Szalontai ein Konsens der beiden koreanischen Staaten unwahrscheinlich, es sei denn, die interkoreanischen Beziehungen würden sich normalisieren.[24]:S. 158
Der Gebietsdisput ist teilweise symbolischer Natur. In der Literatur wird die Bedeutung der Inseln für Südkorea meist im Kontext der japanischen Kolonialisierung Koreas besprochen.[25]:S. 184 Nach Bukh (2016) sei die Thematik aber auch wichtig für die koreanische Identität.[25]:196 f. Die Insel hat keinen größeren militärischen Wert, allerdings sind die Hoheitsrechte in den umliegenden Seegebieten wirtschaftlich und wissenschaftlich[26] bedeutend. Zum einen werden reiche Gasvorkommen unter der Insel vermutet, zum anderen würden dem den Konflikt gewinnenden Staat reichhaltige Fisch- und Krabbengründe rund um die beiden Inseln zufallen.[26][27]
Es gilt als unwahrscheinlich, dass der Konflikt in nächster Zeit gelöst werden kann. Jeder Kompromiss wäre ein gefährlicher Präzedenzfall für Japan, da das Land Dispute um weitere Inseln mit Russland und China führt.
Nach Angaben der südkoreanischen Provinz Gyeongsangbuk-do besuchten 2016 über 206.000 Touristen die Felseninsel,[28] die eigentlich keine touristische Infrastruktur besitzt. Aufgrund des unberechenbaren Wetters und der oft hohen Wellen können zudem nur 60 % der Schiffe dort auch anlegen.[29]